Historisierende Fassaden
Seit der Moderne vor allem in der Architektenszene kontrovers diskutiert, nimmt das historisierende Bauen aktuell in der gesellschaftlich-politischen Debatte als „Heimatdünkelei“ zunehmend Anstoß.
Zu Unrecht finden wir, wenn es um die Schließung von Baulücken in Gründerzeitvierteln geht. Im Gegensatz zu modernen Neubauten ermöglichen historisierende Fassaden den Bewohnern eine stärkere Identifikation mit ihrem Ort und Verbindung mit der Nachbarschaft. Da ist kein Außenseiter in der Lücke gelandet, sondern die gestalterische Form der Symbolik „wir sind wie ihr“. Geht so nicht Integration?
Natürlich spielen wir dabei nicht Disneyland. Traditionelle Elemente wie Fassadenprofile und Gesimsbänder in eine zeitgenössische Formensprache übersetzt, verwendeten wir ganz klassisch im Sinne der Gründerzeit nur an Straßenseite. Die einfach gehaltene Hofseite orientiert sich an modernen Bedürfnissen, wie großzügigen Balkons und Terrassen sowie bodentiefen Fenstern für viel Licht und Öffnung zur Innenhofbegrünung.
Tiefgarage mit Dachbegrünung für Mietergärten
Der Name des Leipziger Stadtteils „Stötteritz“ (altsorbisch) bedeutet „seichter Acker auf Felsengrund“.
Nur 4 Kilometer vom Zentrum der Stadt Leipzig entfernt, entstanden hier bereits 700 n.Chr. erste Bauernstellen in Form von Runddörfern. Nach Enteignung der freien Bauern im 16 Jhd. wurden die Güter durch zumeist bürgerliche Besitzer bewirtschaftet. Im 19. Jhd. wird der Tabakanbau in Stötteritz zum Haupterwerbszweig und die Gutshöfe in dieser Zeit als „hübsche Landhäuser für Leipziger Familien mit angenehmen Gärten“ beschrieben. Mit der Industrialisierung setzt eine rege Bautätigkeit mit rascher Verstädterung ein und Stötteritz wird zu einem der größten Vororte Leipzigs. In der Oberdorfstraße 22 wird 1870 der Gasthof „Schulzes Kuchengarten“ neu gebaut, der von 1928 bis Anfang der 1990er Jahre als „Palast Filmtheater“ genutzt wurde. Aufgrund der Mangelwirtschaft in der DDR verfiel auch in Stötteritz die gründerzeitliche Bausubstanz und das Haus musste 2004 abgerissen werden.
In den 1990er Jahren bildete sich das „Netzwerk – Arbeitsgemeinschaft zur Förderung einer Gemeinwesen-orientierten Sozialstruktur Leipzig Südost e.V.“ und im Life-Programm der Europäischen Union wurde das Förderprojekt „Ökologische Modellsiedlung Oberdorfstraße“ initiiert.
Der Geschichte des Ortes und den aktuellen Entwicklungszielen für Stötteritz folgend, setzt der Entwurf soziale und ökologische Themen in den Fokus. Selbstverständlich sind für uns dabei die barrierefreie Zugänglichkeit aller Etagen und Außenbereiche sowie die barrierefreien Wohnungen im 3. Obergeschoss, um die Begegnung von Jung und Alt sowie Menschen mit Handicaps zu ermöglichen und gegenseitige Unterstützung anzuregen. Die Begrünung des Tiefgaragendaches erweitert mit privaten und gemeinschaftlichen Mietergärten die Coliving-Angebote sei es beim Urban Gardening, Spiel und Sport oder dem Grillabend am Lagerfeuer – und – verbessert „ganz nebenbei“ das Mikroklima im dicht bebauten Gründerzeitviertel.
Projektdaten
Adresse: Oberdorfstraße 22-24 I 04299 Leipzig
Auftraggeber:
Architekturbüro Irmscher I Freie Architekten VFA
Seebener Straße 22 I 06114 Halle (Saale)
Datum: 08.2017-03.2018
Tätigkeiten:
LPH 3-4. Entwurfs- und Genehmigungsplanung
Flexible Grundrisse und Barrierefreiheit
23 Wohneinheiten als 2- bis 5-Raum-Wohnungen
alle Wohnungen mit Terrasse, Balkon oder Dachloggia, eigenem Stellplatz und Gartenanteil
flexible Nutzbarkeit der Schlaf-, Kinder- und Arbeitszimmer durch gleiche Raumgrößen
barrierefreie Erschließung aller Etagen und der Außenbereiche
3. Obergeschoss: barrierefreie Ausstattung der Wohnungen 2x für Rollstuhlfahrer sowie 2x für (ältere) Menschen mit motorischen, visuellen, auditiven und/oder kognitiven Einschränkungen